Mein Hosengürtel ist defekt. Was machen? - Nein, einen neuen kaufen kommt gar nicht infrage. Es handelt sich schließlich um ein gutes Stück Leder und ist mit schönen Erinnergungen an den Gardasee verbunden.
Gott sei Dank gibt es noch einen Schuhmacher in meinem Wohnort. Die meisten Schuhmacher arbeiten in Reparaturwerkstätten und nicht in einem eigenen Betrieb. Sie erneuern Schuhe, richten schiefe Absätze, arbeiten für eine bequeme Passform Fußstützen oder Verstärkungen ein und beraten Kunden. Außerdem reparieren sie Ledertaschen, tauschen Reißverschlüsse aus und reparieren Lederjacken und - Ledergürtel.
Im Handumdrehen war mein Gürtel repariert. "Gut, dass Sie da sind", brachte ich meine Freude zum Ausdruck. "Aber wer weiß wie lange?", erwiderte der Schuhmacher. "In Hannover gibt es derzeit nur noch einen Auszubildenden, der Schuhmacher werden möchte", erklärte er mir. "Wir haben uns als Schuhmacher auf das Sterben dieses Handwerks eingestellt." Es fehle nicht nur die Förderung durch den Staat und die EU, sondern auch ein echter Wille aller Verantwortlichen und auch der Bürger, sich von der Wegwerfgesellschaft zu verabschieden. Dann würden auch die Handwerker neue Arbeitsfelder bekommen oder alte wieder neu pflegen können. "In den Niederlanden ist man da offenbar schon weiter. Dort braucht das Handwerk keine Mehrwertsteuer zu bezahlen. Damit möchte das Land das schnelle Wegwerfen stoppen. Ich müsste eigentlich, um wirtschaftlich zu rechnen, die Arbeitsstunde mit mindestens 60 Euro veranschlagen. Dann würde aber kein Kunde mehr kommen. Neue Schuhe gibt es günstiger - auch wenn sie nicht lange halten. Also kann ich nur von 30 Euro die Stunde ausgehen. Deshalb kostet die Reparatur ihres Gürtels auch nur zwei und nicht vier Euro."
Wir sprechen lautstark von Klimawandel und Umweltpolitik - und werfen defekte Schuhe einfach in den Restmüll, statt sie zum Schuhmacher zu bringen. Wir fragen gar nicht nach den Möglichkeiten des Handwerks und deren Resourcen für die Ziele des Klimaschutzes. Ganz abgesehen davon, dass wir damit gleichzeitig unser kulturelles Erbe pflegen würden. Aber über Klimaschutz reden und dafür aktiv handeln, das sind eben zweierlei Schuhe.
Aber mich fragt ja keiner.
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